Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Gefühls-, Gedanken-, Verhaltens- und körperliche Reaktionsmuster im Laufe des Lebens erlernt werden. Unter der Annahme, dass alles, was einmal gelernt wurde, auch durch Lernvorgänge „verlernt“ oder zumindest verändert werden kann, werden zur Behandlung lernpsychologische Strategien eingesetzt.
Die erste verhaltenstherapeutische Behandlung wurde in den 1920er Jahren dokumentiert, als ein Junge mit einer Phobie durch Konfrontation mit dem Angst auslösenden Objekt therapiert wurde. Lerntheoretisch fundierte Verfahren waren jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg soweit entwickelt, dass sie systematisch zur therapeutischen Verhaltensmodifikation eingesetzt werden konnten.
Seit den 1960er Jahren hat die klassische Verhaltenstherapie weitere Gebiete der wissenschaftlichen Psychologie integriert. Die Verhaltenstherapie begann, sich neben der Modifikation des äußeren Verhaltens auch mit der Veränderung von gedanklichen (kognitiven) Mustern, Einstellungen und Grundannahmen auseinander zu setzen. Der Begriff der „kognitiven Verhaltenstherapie“ bzw. der „kognitive Therapie“ trägt dieser Entwicklung Rechnung, die mit den Namen Ellis, Beck und Meichenbaum verbunden ist.
Es wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche störungsspezifische Ansätze entwickelt. Dabei fanden im Sinne einer multimodalen Psychotherapie eine Vielzahl von Methoden Eingang. Parallel dazu gewann in der Therapieplanung die Förderung der individuellen Ressourcen ein immer größeres Gewicht.
Mittlerweile spricht man von einer „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie, in der die kognitive Therapie um die Dimensionen der psychologischen Überlebensregeln, der Emotionsarbeit, der Achtsamkeit und der Überwindung von sogenannten Schemata erweitert wurde. Bei den Schemata handelt es sich um „alte“ (in der Kindheit und Jugend entstandene) Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen, die das Verhalten steuern. Die Schemata entstehen auf Grund schädlicher Kindheitserlebnisse, der Verletzung menschlicher Grundbedürfnisse oder traumatischer Ereignisse.
Ursprünglich zielte die Verhaltenstherapie in erster Linie auf die Veränderung von problematischen Mustern ab. In jüngster Zeit setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass auch die Akzeptanz von unveränderbaren Problembedingungen und die Unterstützung in der Bewältigung des Unveränderlichen wesentliche Ziele einer Verhaltenstherapie sein können.
Die Verhaltenstherapie befindet sich für viele ihrer Vertreter (z. B. Grawe) auf dem Weg zu einer allgemeinen, evidenz-basierten Psychotherapie, d. h. einer Therapieform, die wissenschaftlich überprüfte Methoden anwendet und nach gezielter Auswahl integriert. Dementsprechend legen Verhaltenstherapeuten/-innen großen Wert auf die empirische Überprüfung ihrer Theorien und Methoden.
Nach Margraf gelten für die Verhaltenstherapie folgende Grundprinzipien:
Verhaltenstherapie ....
· ist problemorientiert,
· setzt bei Prädispositionen, auslösenden und aufrechterhaltenden
Problembedingungen an,
· ist zielorientiert,
· ist handlungsorientiert,
· betont die Übertragung auf den Alltag,
· ist transparent,
Die aus der Gesprächspsychotherapie nach Rogers bekannten therapeutischen Prinzipien der Echtheit, der Empathie und der uneingeschränkten Akzeptanz sind Grundbestandteile jeder psychotherapeutischen Arbeit. Die therapeutische Beziehung ist nach heutigem Verständnis auch in der Verhaltenstherapie ein entscheidender Wirkfaktor. Der Aufbau einer therapeutischen Allianz zwischen Patient/-in und Therapeut/-in ist damit eine weitere Grundvoraussetzung der Behandlung.
Weitere Informationen sind unter www.dgvt.de zu erhalten.
Literatur:
Beck A. T.: Kognitive Therapie der Depression. Herausgegeben von M. Hautzinger. Aus dem Amerikanischen von G. Bronder. 3. Auflage. Beltz, Weinheim u. a. 2004.
Ellis A.: Grundlagen und Methoden der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie. Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung, 1997.
Meichenbaum D.: Cognitive-Behavior Modification: An Integrative Approach. Plenum-press New York, 1977.
Margraf J. (Hrsg.): Lehrbuch der Verhaltenstherapie. (2. Auflage; 2 Bd.). Berlin: Springer, 2000.
Grawe K., Donati R., Bernauer F.: Psychotherapie im Wandel - von der Konfession zur Profession. Hogrefe, Göttingen 1994; 5. unveränderte Auflage, 2001.
Rogers C. R.: Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Fischer TB, Frankfurt a. M., 1993.